Wertvolle, jüdische Exponate aus Übersee zurück in der Heimat

 

 

In der Synagoge in Padberg:   

 

(von links)


Ortsheimatpfleger Norbert Becker,

Brilons Stadtarchivarin Beatrix Klammeck

und Andreas Karl Böttcher (Vorsitzender der „Marsberger Geschichten – Schlüssel zur Vergangenheit e. V.“)

 

Sie präsentieren das Bildnis vom Landrabbiner Joseph Abraham Friedländer sowie Druckerzeugnisse seines Enkelsohns Moritz Friedländer, darunter ein Jahrgang des Sauerländischen Anzeigers und ein Buch zur Geschichte Obermarsbergs aus 1848.

 

 

Marsberg/Brilon. Die interessantesten Kontakte entstehen heutzutage anscheinend über das Internet. So auch der, der Familie Aubry aus Sarasota im amerikanischen Florida. Nachdem die Aubrys nach ihren jüdischen Wurzeln in Marsberg googleten, stießen sie auf den Verein „Marsberger Geschichten – Schlüssel zur Vergangenheit e. V.“ und waren sofort begeistert von deren ehrenamtlichem Engagement und dessen Museum „Haus Böttcher – Marsbergs Haus der Geschichte“. Da sie noch viele geschichtliche Relikte von ihren Vorfahren aus dessen alten Marsberger Zeiten besaßen, entschlossen sie sich spontan, dass diese wieder zurück in die damalige Heimat ihrer Ahnen gelangen sollten. Sie verpackten als Schenkung mehrere Kartons mit Gemälden und einmaligen Zeichnungen. Nach einem mehrwöchigen Postweg, der beim Zollamt Paderborn endete, gelangten diese neuen Übersee-Exponate von Haus Böttcher endlich in die Hände der Mitglieder des Marsberger Geschichts- und Heimatvereins. Hierunter befanden sich u. a. zwei aufwendig erstellte Gemälde des jüdischen Malers Lilienthal, der vielen Obermarsbergern durch das Titelbild der jährlichen Schützenzeitung, dem Gemälde „Schützenfest in Obermarsberg“ aus 1926, bekannt sein dürfte. Die jetzt eingegangenen, ölfarbenen Gemälde bilden Obermarsberg samt seiner Stiftskirche sowie den Niedermarsberger Bilsteinturm ab.

 

 

Gemälde des Obermarsberger Schützenfestes

in 1926 vom jüdischen Maler Lilienthal

 

 

Die Übersee-Sendungen beinhalteten außerdem eine originale, eichenverrahmte und rund 200 Jahre alte Kohlezeichnung. Hierauf ist Joseph Abraham Friedländer zu sehen. Schnell stellten die „Marsberger Geschichten – Schlüssel zur Vergangenheit e. V.“ fest, dass es sich bei den Friedländers um bedeutende Personen der damaligen Zeit handelte. Mit Beatrix Klammeck vom Stadtarchiv Brilon sowie dem Padberger Ortsheimatpfleger Norbert Becker trug man gemeinschaftlich verschiedene Informationen hierüber zusammen. Joseph Abraham Friedländer ist am 07.03.1753 in Collin/Böhmen (Tschechei) geboren. Er studierte bei Oberrabbiner Ezechiel Landau in Prag und Pressburg. Anders als seine Lehrer war er ein Anhänger der jüdischen Aufklärung und somit Reformer. Wichtige Impulse kamen dafür von seinem Onkel David Friedländer, der in Berlin zum Kreis um Moses Mendelssohn gehörte. Joseph Abraham Friedländer lebte als späterer Landrabbiner für das Herzogtum Westfalen sowie das Fürstentum Wittgenstein mit seiner Frau Clärgen (Clara Salmon) und den beiden Kindern Abraham und Ester in Padberg. Am 16.04.1814 starb seine Frau in Padberg. Sie liegt auf dem jüdischen Friedhof in Beringhausen begraben. Sohn Abraham heiratete am 09.07.1815 in Scharfenberg Philippine Schönthal aus Brilon. Tochter Ester ehelichte am 16.02.1820 in Padberg Josef Hagedorn aus Helminghausen. In Padberg war Joseph Abraham Friedländer als Lehrer und Landschreiber tätig. Später war er bei Johann Suibert Seibertz Amtsschreiber. Im Jahr 1815 wurde sein Geleit, das heißt sein Wohnrecht von Padberg nach Brilon verlegt. 1832 wurde Friedländer in seiner neuen Heimatstadt als Landrabbiner eingeführt. Sein Sohn Abraham war Vorsteher der Landesjudenschaft im Herzogtum Westfalen. Joseph Abraham Friedländer starb am 26.11.1852 – fast hundertjährig – in Giershagen, so die Unterlagen der Familie Aubry. Beerdigt wurde er in Brilon. Unternehmerisch bedeutend tätig war für den Kreis Brilon sein Enkelsohn Meyer – genannt Moritz – Friedländer. Seine Druckerei und sein Verlag übernahmen am 03.07.1842, das seit 1837 bestehende Wochenblatt des Kreises Brilon, die erste Briloner Zeitung seit der Erfindung des Buchdrucks. Ab 1851 wechselte die Bezeichnung der Zeitung. Sie nannte sich fortan „Sauerländischer Anzeiger“. Die Zeitung erschien zunächst nur einmal wöchentlich, später sogar dreimal in der Woche. Sie war zudem amtliches Kreisblatt für Brilon, Büren und Rüthen. Moritz Friedländer wohnte in der Strackestraße 14 in Brilon. Dieses Haus kaufte er am 23.04.1855 von Franz Schladoth. Beatrix Klammeck hat im Stadtarchiv Brilon nicht nur diese Informationen zur Familie Friedländer und weiteren jüdischen Familien vorliegen, sondern das Archiv beherbergt auch fast alle Jahrgangsbände der ersten Briloner Kreiszeitung mit Nachrichten zu allen Ortschaften. Stadtarchivarin Klammeck und Padbergs Ortsheimatpfleger Norbert Becker erhielten nun von den „Marsberger Geschichten – Schlüssel zur Vergangenheit e. V.“ eine Kopie der Kohlezeichnung des Rabbiners Friedländer. Becker möchte diese in der einzigerhaltenen und somit ältesten Fachwerk-Synagoge Westfalens in Padberg aufhängen, dort wo Friedländer damals gelehrt hat.

 

 

Kohle-Zeichnung

vom Landrabbiner Joseph Abraham Friedländer,

der in Padberg und Brilon beruflich tätig war.

 

 

Stammbaum der Familie Joseph Abraham Friedländer zu Brilon